Leidenschaft zum Beruf gemacht: Industriekletterer im Zementwerk
Hoch hinaus
Wenn’s mal sprichwörtlich eng wird, helfen uns Eberhard Mach und seine Mitarbeiter von Mach Industrieklettern seit mehr als 10 Jahren kompetent und zuverlässig aus. Die Industriekletterer kommen immer dort zum Einsatz, wo Gerüste oder Arbeitsbühnen nicht hineinpassen oder zu aufwändig wären. Neben dem handwerklichen Können und dem Know-how im Klettern ist oft auch Eberhard Machs Kreativität in der Lösung von Problemen gefragt.
Wie wird man Berufskletterer und warum?
Eberhard Mach: (Lacht) Da steckt meistens die Begeisterung fürs Klettern dahinter! Dass man klettern kann, ist natürlich die Grundlage, ohne das geht’s nicht. Hilfreich ist es, wenn außerdem Hintergrundwissen von technischen Berufen, Handwerk oder Ähnlichem da ist. Industriekletterer sind im Prinzip immer Quereinsteiger. Im Laufe der Jahre habe ich mir viel Wissen und Fachkenntnis angeeignet, auch durch regelmäßige Fortbildungen.
Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken regelt außerdem das Arbeiten am Seil und vergibt entsprechende Zertifikate, die jährlich erneuert werden müssen. So werden Standardtechniken für Seitzugangs- und Positioniertechniken geprüft und überwacht, und auch ein Gesundheitsscheck ist einmal im Jahr verpflichtend. Die persönliche Sicherheit steht bei uns immer an erster Stelle.
Was sind die Aufgaben und Einsatzgebiete?
Eberhard Mach: Das variiert extrem, da ich natürlich auch Kunden aus anderen Branchen habe. Ganz klassische Aufgaben sind z.B. Fensterreinigung oder Fassadenreinigung an Hochhäusern, oder auch die Reinigung von Glaskuppeln. Besonders in Norddeutschland sind Reparaturen an Windkraftanlagen auch im Standardrepertoire. Auch im Wössinger Zementwerk sind die Aufgaben vielfältig: Wir installieren Absturzsicherungen z.B. im Klinkersilo, Reinigungsarbeiten, Reparaturen und Wartungsarbeiten.
Viele Arbeiten erfordern zusätzliche Zertifikate oder Ausbildungen, wie z.B. Schweißen oder Arbeiten über Verkehrsbereichen. Im Laufe der Zeit kommen so immer mehr Kenntnisse und Fähigkeiten hinzu. Häufig arbeiten wir aber auch „unter Regie“, das heißt, wir erhalten eine Einweisung vor Ort und legen dann los. Die Arbeit als Industriekletterer erfordert immer ein extrem hohes Maß an Flexibilität und Problemlösungsorientierung.
Was für Aufgaben gibt es im Zementwerk? Und wie gefährlich sind sie?
Eberhard Mach: Wir führen regelmäßig auch wiederkehrende Wartungsarbeiten und Reparaturen durch, wie z.B. die Befestigung der Fassadenbleche nach Sturmschäden, Schichtdickenmessungen, Ablagerungen in Kaminen freimeißeln, Ketten nachspannen oder Reparaturen am Becherwerk.
Beim Klettern lernt man als erstes, dass die Absicherung das Wichtigste ist, und das gilt natürlich auch für Berufskletterer. Wir arbeiten daher grundsätzlich immer mindestens zu zweit. Im Zementwerk gibt es immer wieder besondere Herausforderungen, und tatsächlich ist der erste Schritt bei allen unseren Arbeiten immer die Gefährdungsbeurteilung, um mögliche Gefahren zu erkennen und zu reduzieren. Oft müssen wir uns dann nach der Besichtigung vor Ort erst spezielle Schutzmaßnahmen überlegen. Die Reinigung des Abzugsystems im Zementwerk, speziell im sogenannten „Gooseneck“, ist ein solcher Fall. Dort entfernen wir einmal im Jahr mit dem Druckluftmeißel Rückstände an der Innenwand des Kamins. Bevor wir loslegen, installieren wir erstmal Sicherheitsnetze als Schutz vor den herabfallenden Gesteinsbrocken. Das ist schon kein ungefährlicher Job… Ungefähr eine Woche sind wir damit beschäftigt, bis wieder alles frei ist. Um überhaupt in der Luft hängend und überkopf mit dem Druckluftmeißel arbeiten zu können, sind ausgefeilte Seiltechniken notwendig.
Im Zementwerk läuft die Arbeit nach über zehn Jahren erfolgreicher und oft auch kreativer Zusammenarbeit fast reibungslos, weil wir die meisten Einsatzorte bereits kennen und wissen, worauf wir uns einstellen müssen.
So war es auch beim letzten Einsatz im Juli: Einer der Zyklone im Vorwärmturm war verstopft und hatte für einen Ofenstillstand gesorgt. Der Anruf erreichte mich nachmittags und da es sehr eilig war, habe ich meine Mitarbeiter direkt losgeschickt. Bereits im Vorfeld war klar, dass die Arbeitsbedingungen nicht einfach sind: Im Zyklon ist es dunkel, sehr eng und sehr staubig. Da ist es wirklich hilfreich, schon vorher abschätzen zu können, was auf einen zukommt, denn nicht jeder ist für die Arbeit in engen, dunklen Räumen geeignet. Vor Ort haben wir uns mit der Situation vertraut gemacht, für die notwendige Schutzausrüstung gesorgt und konnten dann auch die Verstopfung recht schnell entfernen. Am schwierigsten war dabei, dass die Röhre so extrem eng war: Durch die Ablagerungen betrug der Durchmesser nur noch ca. 75 – 80 cm. Da war kein Platz für großes Werkzeug und wir mussten alles von Hand freimeißeln. Nach vier Stunden betrug der Durchmesser wieder wie gewünscht ca. 100 cm und alle waren wieder happy.
Was für eine Ausrüstung ist dafür nötig?
Eberhard Mach: Die sogenannte persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz – kurz PSAgA – ist unsere Standard-Kletterausrüstung. Je nach Einsatzort benötigen wir außerdem Schutzkleidung und eine Atemschutzmaske. Daneben benötigen wir natürlich noch Werkzeug bzw. alles, was für den jeweiligen Auftrag notwendig ist, z.B. Schweißausrüstung. Meistens erfahren wir bereits bei der Auftragserteilung was notwendig ist, da Aufgabe und Einsatzort bereits bekannt sind.
Gab es schon besondere Aufträge aus dem Zementwerk, abseits der üblichen Aufgaben?
Eberhard Mach: Tatsächlich kommen auch immer wieder neue Frage- oder Problemstellungen aus dem Zementwerk. Im Klinkersilo gab es z.B. schon mal Abweichungen von den Messsonden und es war unklar, ob noch ausreichend Klinker eingelagert war. Ich wurde damit beauftragt, im Silo nachzumessen. Da kam mir mein Wissen aus dem Geologiestudium zugute: Mittels Laservermessung konnte ich das Volumen bis auf eine geringe Abweichung berechnen. Auch die Besteigung der Stahlschornsteine war eine ganz besondere Aufgabe: Wir mussten ja irgendwo die Sicherung anbringen, aber es gab keine Möglichkeit, die Karabiner zu befestigen. Schließlich habe ich eine Lösung mithilfe von Magneten entwickelt. Das System hat sich gerade für diesen Einsatzzweck bereits mehrfach bewährt. Ich liebe Herausforderungen wie diese, besondere Freude macht mir immer, solche Probleme für alle zufriedenstellend und sicher zu lösen.
Vielen Dank für das Interview, Herr Mach!